28.05.2014

Computer im Schuh

Spektakuläres Objekt im Heinz Nixdorf MuseumsForum Der erste Computer, auf dem man gehen konnte, ist ab sofort im Paderborner Heinz Nixdorf MuseumsForum (HNF) zu sehen. Seinen Einsatz hatte der Schuhcomputer Anfang der 1980er Jahre in einem Spielkasino in Las Vegas, als mehrere Freaks aus Kalifornien damit versuchten, den großen Gewinn zu landen. Einige Jahre Arbeit gingen dem voraus. Immer wieder scheiterten die Studenten an technischen und physikalischen Problemen, bis es ihnen gelang, die Elektronik in einem Schuh zu integrieren. Damit war der Computer in der Lage, dem Zufall beim Roulette auf die Sprünge zu helfen. Er analysierte die Laufbahn der Kugel und sagte den wahrscheinlichen Sektor voraus, in dem die Kugel im Kessel landen würde. Jochen Viehoff, Geschäftsführer des weltgrößten Computermuseums, erhielt den Computer samt Schuh jetzt direkt aus den Händen seines Konstrukteurs Doyne Farmer, der heute am "Institute for New Economic Thinking" in Oxford arbeitet. Farmer fand den Rechner in den Tiefen seiner Elektronikwerkstatt wieder, nachdem er lange verschollen war. Viehoff war begeistert: "Ich bin bei meinen Recherchen in den letzten Jahren immer wieder auf diesen wundersamen Roulette-Schuhcomputer gestoßen, dass ich richtig aufgeregt war, als ich die kleine intelligente Schaltung endlich selbst in Händen hielt". Das HNF zeigt den Roulette-Computer in der Dauerausstellung neben weiteren "Wearables" aus einer High-Tech-Modenschau von 2003. Farmer war Mitglied der Studentenclique, die sich Ende der 1970er Jahre in Santa Cruz zusammengetan hatte, um dem Lauf der Kugel mit technischem und wissenschaftlichem Know-how auf die Spur zu kommen. Ergebnis war ein Rechner, der in ausgehöhlten Halbschuhen untergebracht wurde. Möglich wurde dies durch den Fortschritt und die Miniaturisierung der Elektronik. Üblicherweise waren damalige Rechner so groß, dass sie gut auf einem Schreibtisch Platz fanden. Mit dem Mikroprozessor eines KIM-Bausatzes, ließ sich das Ganze nun auch kompakt konstruieren. Trotzdem waren jahrelange Anstrengungen nötig, von vielen technischen Rückschlägen gekennzeichnet, bevor im November 1981 die Feuertaufe im "Sundance" in Las Vegas erfolgte. Doyne Farmer trug in seinen Schuhen den Rechner, Zehenschalter, Batterien und einen Sender. Er stoppte die Zeiten, die die Kugel im Kessel zurücklegte, fütterte mit den Daten über seine Zehen den Computer und sendete das Ergebnis wiederum per Zehenschaltung an seinen Kumpel Thomas Bass, der als Spieler dicht neben ihm stand und die Jetons auf dem Spielfeld verteilte. Der Computer gab den Hinweis, in welchem der acht Segmente die Kugel wahrscheinlich landen würde und Bass platzierte den Einsatz. Das Signal erhielt er in seinem rechten Schuh, der mit einigen Vibratoren ausgestattet war. Neben der technischen Funktion waren also auch eine Beweglichkeit der Zehen beim Spielbeobachter und ein sensibler Hacken des Spielers vonnöten. Und alles schien zu funktionieren als sich nach einem erfolgreichen Einsatz auf die "13" die Jetons vor ihnen stapelten. Doch dann traten Probleme auf. Die Vibratoren im Hacken von Bass zuckten willkürlich und ohne erkennbares Signal. Die schwitzenden Spieler versuchten noch ein paar Glückstreffer und verließen dann das Sundance. Wie sich schnell zeigte, war der Funkverkehr zwischen den Schuhcomputern durch die elektronischen Geräte im Kasino deutlich gestört. Eine Überarbeitung der Rechner hätte monatelange Arbeit bedeutet, wozu das Team keine Lust mehr hatte. Mit etwa 10.000 Dollar Spielgewinn mussten sie sich zufriedengeben. Stattdessen starteten die meisten eine akademische Karriere im Bereich der neu entstehenden Chaosforschung oder auch wie Doyne Farmer in der Finanzwirtschaft, der seine Kenntnisse aus dem Spielkasino auf die große Bühne der Finanzmathematik übertrug.

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