Prof. Dr. Hans-Peter Dürr
Was können wir wirklich wissen?
Naturwissenschaftliche Erkenntnis und Erfahrung von Wirklichkeit
1. Einleitende Bemerkungen
Die Naturwissenschaft hat uns tiefe Einblicke in die Struktur unserer Welt und ihre zeitliche Entwicklung verschafft. Sie hat dem absichtsvoll handelnden Menschen vielfältige Möglichkeiten eröffnet, Naturprozesse für seine Zwecke zu nutzen. Die auf diese Weise aufgewachsene Technik hat unsere Lebenswelt dramatisch verändert., Und dies, wegen der Ambivalenz der Zwecke, nicht nur zum Vorteil des Menschen, sondern wie dies in unserem Jahrhundert überdeutlich wurde, auch zu ihrem Nachteil. Naturwissenschaft und Technik haben der Menschheit eine ernste Existenzkrise beschert. Wir sind nicht nur in einer "Krise der Immanenz", weil uns die unmittelbare Erfahrung, als Menschen unauflösbar im Transzendenten - dem "Einen", dem "Nicht-Zweihaften" - verankert zu sein, verloren gehen könnte. Wir stehen bereits schon mitten in einer zweiten Krise, die da "Erschöpfung der Moderne" genannt wird. Diese zweite Krise läßt uns die Brüchigkeit und Unzulänglichkeit unserer heutigen säkularisierten, materialistischen Weltbetrachtung immer deutlicher gewahr werden. Die Krise besteht eigentlich darin, daß wir - und hier meine ich vornehmlich uns in der nördlichen, industrialisierten, sogenannten entwickelten Welt - in all der Üppigkeit und all dem Trubel unseres Alltags unter einem Hunger nach Geistigem und Sinnhaften, einem Gefühl von Verlorensein und Einsamkeit leiden. Mehr noch, daß uns die tieferen Ursachen unserer Frustration eigentlich gar nicht bewußt werden und wir deshalb auch nicht bereit und willig sind, geeignete Nahrung aufzunehmen. Der Widerstand, das im eigentlichen Sinne Vernünftige zu tun, resultiert aus einem falschen Verständnis oder mangelhaften Gebrauch unserer Rationalität. Die Rationalität stellt sich uns verengt dar als eine Fähigkeit, Wissen - exaktes Wissen, wie wir vielfach glauben - über die Wirklichkeit, die Welt, sammeln und kritisch denkend verarbeiten zu können, damit es sich zu einer besseren Steuerung unseres absichtsvollen Handelns eignet.
Unsere heute immer noch ungebrochene Zuversicht, unser Leben und Handeln auf Rationalität in diesem eingeschränkten Sinne gründen, ja ausschließlich gründen zu können - d.h. die andere Seite der Rationalität, die abwägende, wertträchtige Vernunft nicht wesentlich einzubeziehen - basiert vornehmlich auf den eindrucksvollen Erfolgen moderner Wissenschaft, insbesondere den Naturwissenschaften, und den vielfältigen praktischen Umsetzungen dieses Wissens in Form unserer modernen Technik. Wie so oft in unserer Geschichte kommen wir Menschen dabei immer wieder in die alte Versuchung: Gelingt es uns einmal, einen kleinen Zipfel der "Wahrheit" zu erhaschen, dann meinen wir in diesem Zipfel gleich die einzige und ganze Wahrheit zu sehen. Wir betrachten das ganze Weltgeschehen nur unter dieser einen neuen Einsicht und zwängen, was nicht so recht passen will, mit Intelligenz, Schlauheit, Eloquenz, doch auch mit unbewußter oder bewußter Mogelei und Gewalt in dieses Korsett. Dieser Impuls entspringt nicht nur unserer Dummheit und Ungeduld. Dahinter steht der verständliche und lebensdienliche Wunsch, die undurchsichtige Komplexität unserer Mitwelt auf etwas für uns Einfacheres und damit Einsehbareres, Überschaubareres zu reduzieren. Durch diese vereinfachten Vorstellungen der Wirklichkeit und ihrer eingeprägten zeitlichen Entwicklung gelingt es uns, die Unsicherheit des Zukünftigen, die wir ständig als existentielle Bedrohung empfinden und im nächsten Augenblick auch als dramatische, schmerzhafte, tödliche Realität erfahren und erdulden müssen, in vielen Details zu mildern. Ja, es hat sogar den Anschein, als ob wir unsere primitiven Nachbildungen der Wirklichkeit Schritt für Schritt so verbessern und verfeinern könnten, daß sie uns letztlich jegliche Unsicherheit zu beseitigen erlaubt. Doch immer genau zu wissen, was uns künftig erwartet, hätte kaum Vorteile für uns. Im Gegenteil: die eine große, umfassende Unsicherheit würde durch eine noch bedrückendere Gewißheit vielfältigen Scheitern abgelöst, wofür uns die Gewißheit einiger spärlicher Erfolge kaum entschädigen würde. Die Situation ändert sich jedoch grundlegend, wenn wir, was wir glauben, als Menschen wirklich - und nicht nur eingebildeterweise - auch die Fähigkeit besitzen, absichtsvoll zu handeln. Dann haben wir prinzipiell die Möglichkeit, mit unserem Wissen und durch geeignetes Verhalten, die als sicher prognostizierten negativen Folgen zu vermeiden und unsere Überlebenschancen erheblich zu verbessern. Wir können darüber hinaus durch bewußte Manipulationen unserer Mitwelt versuchen, die für uns erwünschten Folgen herbeizuzwingen. Wissen wird hierdurch zu einem Machtinstrument und läßt in uns die Hoffnung wachsen, durch fortschreitende Verfeinerungen die Zukunft in immer höherem Maße meistern, beherrschen und letztlich "in den Griff" bekommen zu können.
In vielen Fällen, wenn auch meistens nur kurzfristig, scheint uns dies ja auch zu gelingen. Macht bezieht ihre Stärke aus der Einfalt - durch Bündeln von Kräften und nicht deren Differenzierung. Aber sie ist wegen dieser Einfalt vergänglich. Die momentanen Erfolge der "Wahrheitssuche" verleiten zum Fundamentalismus. Das Körnchen Wahrheit wird unangemessen verabsolutiert. Wissenschaft und Technik im Verbund mit der Ökonomik stellt heute in gewissen Sinne so einen Fundamentalismus dar.
Was können wir wirklich wissen? Wie steht wissenschaftliche Erkenntnis und unser naturwissenschaftlich fundiertes Wissen in Beziehung zu unserem spontanen Erlebnis, zu unserer allgemeinsten Erfahrung von Wirklichkeit, was immer wir darunter versehen wollen. Diese Fragen stellen sich heute in einer überraschend neuen Weise. Eine prinzipielle Schranke wissenschaftlichen Wissen wird deutlich sichtbar. Nicht alles ist wißbar. Es gibt ein Wissen um prinzipielles Unwissen. Diese Beschränkung soll nicht nur negativ zu werten, denn Wissen ist nicht alles. Im Gegenteil, die prinzipiellen Grenzen des Wissens öffnen in unserer vorgestellten Wirklichkeit wieder Räume, die nur durch Glauben zugänglich sind, einem Glauben, der mehr bedeutet als ein Noch-nicht-wissen.
Ausgelöst wurde diese neue Sichtweise durch die revolutionären Entdeckungen in der Physik am Anfang des 20. Jahrhunderts und die dadurch notwendige radikale Neuinterpretation der Grundlagen der Physik. Erstaunlich ist dabei, daß dieser tiefgreifende Wandel in unserem Verständnis der Wirklichkeit auch heute noch, fast genau hundert Jahre nach den bahnbrechenden Arbeiten von Max Planck und Albert Einstein, in unserer Gesellschaft und ihren Wissenschaften kaum philosophisch und erkenntnistheoretisch nachvollzogen worden ist. Und dies nicht etwa aufgrund eines Versagens der neuen Vorstellungen. Im Gegenteil, die Quantenphysik, welche diese neue Entwicklung bezeichnet, hat in den letzten siebzig Jahren seit ihrer Ausdeutung einen beispiellosen Triumphzug durch alle Gebiete der Physik angetreten und sich bis zum heutigen Tage unangefochten bewährt. Sie ist es ja, die vor allem in der Folge die ungeahnten technischen Entwicklungen angestoßen hat, die unserem Zeitalter, zum Guten oder Schlechten, unverkennbar ihren Stempel aufgedrückt haben. So wären die Atomkerntechnik und die modernen Informationstechnologien ohne die neuen Einsichten nicht möglich gewesen. Obwohl alle diese viefältigen, erstaunlichen und gewaltigen Konsequenzen wissenschaftlich akzeptiert wurden, so fühlt sich auch heute noch die Wissenschaft in gewisser Hinsicht überfordert, gleichzeitig die in hohem Maße überraschenden Vorstellungen zu übernehmen, aus denen die neue Physik eigentlich erst verständlich wird.
Dies hat viele Gründe. Allen voran: Der Bruch, den die neue Physik fordert, ist tief. Er bezeichnet nicht nur ein Paradigmawechsel, wie dies von Thomas Kuhn in seinem Buch "The Structure of Scientific Revolutions" 1962 beschrieben worden ist. Deutet diese neue Physik doch darauf hin, daß die Wirklichkeit im Grunde keine Realität im Sinne einer dinghaften Wirklichkeit ist. Wirklichkeit offenbart sich primär nur noch als Potentialität, als ein "Sowohl-Als-auch", also nur als Möglichkeit für eine Realisierung in der uns vertrauten stofflichen Realität, die sich in objekthaft und der Logik des "Entweder-Oder" unterworfenen Erscheinungsformen ausprägt. Potentialität erscheint als das Eine, das sich nicht auftrennen, grundsätzlich nicht zerlegen läßt. Auf dem Hintergrund unserer gewohnten, durch das klassisch physikalische Weltbild entscheidend geprägten Vorstellungen klingt dies ungeheuerlich, eigentlich unannehmbar.
Fast hat es den Anschein, als ob die großen Probleme unserer Zeit teilweise darin begründet liegen, daß wir in den Gesellschaftswissenschaften, in der Politik wie in der Wirtschaft, mit den veralteten Vorstellungen des 19. Jahrhunderts versuchen, die neuen Kräfte zu bändigen, die uns aufgrund der ganz andersartigen Einsichten im 20. Jahrhundert zugewachsen sind. Diese Erkenntnis wäre noch kein Grund zur Beunruhigung, wenn es nur darum ginge, nun einfach geduldig abzuwarten, bis die neuen Vorstellungen auch in den Gesellschaftswissenschaften und in unserem politischen Alltag eingedrungen sind. Doch die zeitweilige Unfähigkeit, unser Handeln mit dem angemessenen Denken in Einklang zu bringen, könnte angesichts der entfesselten Einwirkungspotentiale die Menschheit leicht aus der Evolution katapultieren.
Dabei wäre das sich herauskristallisierende neue naturwissenschaftliche Weltbild im hohem Maße geeignet, die verschiedenen Wissenschaftszweige - so die Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften - wieder enger zusammenzuführen. Es erlaubt Glaube und Wissen, Religion und Wissenschaft als wesentliche und in gewisser Weise komplementäre Elemente einer umfassenden Sichtweise zu verstehen. Der Glaube wird von seiner Lückenbüßerrolle befreit, in der ihm jeweils nur noch überlassen bleibt, was bis zu diesem Zeitpunkt 'noch nicht gewußt' wird. Das Wißbare erfährt in der neuen Weltsicht eine prinzipielle Einschränkung. Dadurch erhält der Glaube wieder seine volle Bedeutung und eigenständige Wertigkeit zurück.
2. Über die Wahrheit
Glaube und Wissen sind beide auf "Wahrheit" gerichtet. Wahrheit bedeutet jedoch in beiden Fällen etwas anderes. In der neuen Sichtweise wird es in gewisser Weise keine dieser Wahrheiten mehr geben, sondern "offenere Wahrheiten" werden an ihre Stelle treten, die in subtiler Weise beides enthalten.
Ich spreche als Naturwissenschaftler, als Physiker, Elementarteilchenphysiker. Ein Naturwissenschaftler analysiert, zerlegt, fragmentiert, um die Wahrheit zu finden - und landet deshalb notwendig beim Allerkleinsten.
Auch der Gläubige sucht nach Wahrheit. Er sucht sie in der Religion. Er nähert sich ihr in kontemplativer Haltung, in der meditativen Versenkung, erlebt sie in der Öffnung zum Ganzen.
Die Wahrheiten des Wissenschaftlers und des Gläubigen sind verschieden, und doch versuchen sie Antworten auf letztlich dieselbe Frage. Sie spiegeln in gewisser Weise nur unsere doppelte Beziehung zur Wirklichkeit wider. Das die Welt beobachtende Ich-Bewußtsein, einerseits, und das mystische Erlebnis der Einheit, andererseits, charakterisieren komplementäre Erfahrungsweisen des Menschen. Die eine führt zu einer kritischrationalen Einstellung, in welcher der Mensch die Welt in ihrer Vielfalt - fast im wörtlichen Sinne - begreifen, sie mit dem eigenen begrifflichen Denken erfassen will. Die andere erschließt sich ihm in einer mystischen Grundhaltung, in der er durch Hingabe und Meditation unmittelbar zum eigentlichen Wesen der Wirklichkeit vorzudringen versucht. Komplementär bedeutet hier: Daß beide möglich sind und sich gleichzeitig ergänzen und ausschließen, wie "Raumerfüllung" und "Zwischenraum" oder im bekannten Vexierbild die "beiden zugewandten Schattenprofile" zu der zwischen ihnen aufgespannten "Vase". Es sind zwei Arten des "Wissens", das "begreifbare Wissen" und die "Gewißheit um den inneren Zusammenhang", die "Außenansicht" mit der Trennung von Beobachter und dem Beobachteten, und die "Innensicht", die dem Wesen nach immer holistisch ist, wo das Wahrnehmende auch gleichzeitig das wahrgenommene ungetrennte Eine ist. Erfahrung meint beides: Außenansicht und Innensicht.
Die Innensicht ist "näher, inniger, weiter, umfassender, offener, ganzheitlich", wobei diese aus der Außenansicht entlehnten Worte in ihrer strengen Begrifflichkeit ganz unangemessen sind. Metaphorisch verstanden können sie jedoch auf eine Innenerfahrung deuten.
In der Außenansicht nehmen wir die Welt um uns herum, unsere Mitmenschen und uns selbst auf eine äußerliche Weise wahr. Die Außenansicht ist lebensdienlich, der greifenden Hand angepaßt, die wiederum sich an der speziellen Struktur der Lebenswelt entwickelt hat, in die wir existentiell eingebettet sind. Handeln ist zweiwertig: ich greife oder ich greife nicht, ich habe oder ich habe nicht. Das eine schließt das andere aus. So auch unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit: Sein oder Nichtsein. Unser fragmentierendes Denken, unsere begriffliche Sprache hat sich in dieser auf Handlung orientierten Welt herausgebildet. Deshalb auch zweiwertig unser Denken: richtig oder falsch, 'tertium non datur'. Dieses zweiwertige Ordnungsschema braucht jedoch nicht der Struktur der eigentlichen Wirklichkeit zu entsprechen, sondern ist zunächst für uns lebensdienlich in dem Sinne, daß es ein für unser Überleben wichtiges Handeln wirksam unterstützt. Doch ist äußere Erfahrung letztlich wieder nur als innere Erfahrung, durch spontane Evidenz spürbar. Auch dort nur Gewißheit, wenn es in mir tönt: Es ist so! Ja, ich habe verstanden! Es gibt nichts, was durchgängig bewiesen werden kann, sondern alles mündet am Ende in unmittelbare
Erfahrung, die ich durch Identifizierung schlicht außerhalb allem Dualismus als wahr erlebe. Die unauftrennbare Innensicht erlaubt keine zweiwertige Unterscheidung. Es gibt kein Wissen, doch auch kein Unwissen. Vielleicht Weisheit, die über beiden schwebt, als unscharfer Abdruck des äußeren Wissens im Innern. Und mit einer Unschärfe, die sich nicht im Mangel an Schärfe erschöpft, sondern erst die Möglichkeit eröffnet, Gestalt wahrzunehmen: Vertrautheit, Sinnhaftigkeit, Wertordnung.
Unsere Vorstellung von der Wahrheit ist durch die Polarität der Außenansicht deformiert: Wahr oder nichtwahr? Wahrheit ist allgemeiner, sie braucht nicht unbedingt diese lebensdienliche Zweiwertigkeit. Wahrheit kann offener sein, sich auch in einem Sowohl-als-auch verdeutlichen, ohne dabei ihre Gewißheit einzubüßen. Es fehlt uns die Sprache, dies ausdrücken zu können, da Sprache primär der Außenansicht zugeordnet ist. Wir ahmen dieses Sowohl-als-auch nach, indem wir, wie mit dem Finger darüberstreichend, seine "Gestalt" punktweise zu ertasten suchen. Das ganzheitliche Sowohl-als-auch erscheint dann in unserer kritisch rationalen Vorstellung als vielfältige, nebeneinander liegende Entweder/Oders, deren Synthese die Gestalt imitiert ohne je ihre Ganzheit zu erlangen.
In der abendländischen Geschichte stehen die beiden unterschiedlichen Grundhaltungen, der Außenansicht und Innensicht, in einem fruchtbaren Wechselspiel. Sie spiegeln sich in der Spaltung von Wissen und Glauben. Der Rationalismus und später die Aufklärung haben diese Spaltung vertieft und die zweiwertige Außenansicht zur einzig wahren, d.h. der Struktur der Wirklichkeit angemessenen Ansicht erklärt. Sie ist die Basis unserer triumphierenden Wissenschaft. Sie hat uns gelehrt unsere Mitwelt zu unserem eigenen Nutzen zu manipulieren und Wissen als Machtinstrument zur Herrschaft über Mensch und Natur systematisch zu entwickeln. Wissen wurde Mittel zur Macht und nicht mehr Quelle der Weisheit. Die Ausschließlichkeit unseres Denkens: "Wenn das eine richtig ist, kann nicht das andere auch richtig sein, also muß es falsch sein" hat viel Zank und Streit verursacht, vernichtende Kriege entfesselt und ungeheures Leid über die Menschen gebracht.
Die moderne Physik hat uns gelehrt, daß die Struktur der Wirklichkeit im Grunde eine ganz andere ist, als es die an unserem Handeln und Wissen entwickelte, dominante zweiwertige Struktur der uns direkt zugänglichen Lebenswelt uns suggeriert. Die von uns als allgemeingültig erachtete zweiwertige Außenansicht hat nur begrenzte Gültigkeit. Sie ist nur vergröbertes Abbild einer tieferen Wirklichkeit, deren Züge sich uns besser durch Innensicht offenbaren.
3. Über prinzipielle Grenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnis
Unsere Wirklichkeitserfahrung ist reicher als die Erfahrung, die uns durch wissenschaftliche Erkenntnisse erschlossen wird. Dies ist offensichtlich für Menschen, die mystische oder religiöse Erfahrungen gemacht haben. Aber dies gilt auch viel allgemeiner, wenn wir an die vielfältigen Erfahrungen denken, die uns Kunst in allen ihren Formen vermitteln kann. Wir werden uns dieses noch intimer und umfassender bewußt, wenn uns das so schwer Greifbare und doch, als Betroffene, unmittelbar Verständliche anrührt, was wir etwa mit Worten wie Liebe, Treue, Vertrauen, Geborgenheit, Hoffnung, Schönheit symbolisieren.
Die eindrucksvollen Erkenntnisfortschritte in den Naturwissenschaften hatten dem gegenüber die besonders in der Aufklärung gehegte Hoffnung verstärkt, daß letztlich und prinzipiell alles in dieser Welt menschlicher Erkenntnis zugänglich sei und der bisher als nicht zugänglich erscheinende Teil sich nur aufgrund seiner größeren Kompliziertheit unseren rationalen Einsichten entzieht. Die aus der rationalen Reflexion geborene Erkenntnistheorie hat jedoch frühzeitig darauf aufmerksam gemacht, daß ein strukturiertes System sehr wohl Untersysteme bewerten kann, aber nicht Systeme, die ihm übergeordnet sind. Wir können nicht unmittelbar begreifen, was das Vermögen unserer Denkprozesse überschreitet. So wie wir den blinden Fleck in unserem Auge nicht ohne einen Kunstgriff wahrnehmen können, weil wir von Geburt an ihn gewöhnt sind, so fällt es uns schwer ohne besondere Hinweise die Beschränkungen unserer gewohnten Einsicht zu erkennen. Diese Beschränkungen sollen nicht nur als ärgerliche Hindernisse gesehen werden: Für das Überleben unwesentliche Informationen nicht wahrzunehmen, ist höchst lebensdienlich.
Diese Überlegungen sollen zeigen: Es ist grob unzulässig und falsch, unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit mit der Wirklichkeit schlechthin gleichzusetzen. Genau dies passiert jedoch, wenn wir wissenschaftliche Erkenntnis als allumfassend betrachten.
Ich möchte diese offensichtliche Aussage mit einem Gleichnis des englischen Astrophysikers Sir Arthur Eddington verdeutlichen. Eddington vergleicht einen Naturwissenschaftler mit einem Ichthyologen, einem Fischkundler, der seine Welt erforschen will. Dies besteht darin, daß er auf das Meer hinausfährt und Fische fängt. Nach vielen Fischzügen und sorgfältigen Überprüfungen seiner Beute gelingt ihm die Entdeckung des ersten Grundgesetzes der Ichthyologie: "Alle Fische sind größer als fünf Zentimeter!" Er nennt dies ein Grundgesetz, weil er bei keinem Fang jemals einen Fisch fand, der kleiner als fünf Zentimeter war, und daraus auf eine Allgemeingültigkeit des Befundes schließt. Auf dem Heimweg trifft er seinen besten Freund, den ich den Metaphysiker nennen will, und erzählt ihm von seiner großen wissenschaftlichen Entdeckung. Der entgegnet ihm: "Das ist doch gar kein Grundgesetz! Dein Netz ist einfach so grob, daß dir die kleineren Fische stets durch die Maschen gehen." Aber der Ichthyologe ist durch dieses Argument überhaupt nicht beeindruckt und antwortet entschieden: "Was ich mit meinem Netz nicht fangen kann, liegt prinzipiell außerhalb fischkundlichen Wissens, es bezieht sich auf kein Objekt der Art wie es in der Ichtyologie als Objekt definiert ist. Für mich als Ichtyologe gilt: Was ich nicht fangen kann, ist kein Fisch!"
Auf die Wissenschaft angewendet bedeutet dieses Gleichnis: Um wissenschaftliche Erkenntnisse zu etablieren, benützen wir Wissenschaftler immer ein Netz, obwohl die meisten von uns sich über die Existenz und die Art des Netzes nicht im klaren sind. Dieses Netz symbolisiert nicht nur das methodische sondern vor allem auch das gedankliche Rüstzeug, mit dem wir wissenschaftlich arbeiten. Unser wissenschaftliches Denken ist wie alles Denken immer fragmentierend und analysierend. Alles, was wir untersuchen und verstehen wollen, zerlegen wir. Und das ist auch in unserer Lebenswelt eine sehr vorteilhafte und erfolgreiche Methode, an komplizierte Dinge heranzugehen. Unsere fragmentierende Denkweise ist selbstverständlich nicht zufällig. Sie hat sich in einer langen stammesgeschichtlichen Evolution langsam herausgebildet und dies nicht im Hinblick auf ihre Eignung, die komplizierte Wissenschaft über die Welt im Großen und Kleinen zu treiben, sondern zunächst einmal vor allem, um uns Menschen auf dieser Erde unter den hier vorgegebenen äußeren Umständen eine Überlebenschance zu geben. Das heißt grob gesagt: Unser Denken ist dafür angepaßt, den Apfel am Baum wahrzunehmen und zu greifen, mit dem wir uns ernähren und nicht dazu, Atomphysik zu treiben. Wenn wir es trotzdem tun, dürfen wir uns nicht wundern, daß Atome für uns letztlich immer wie kleine Äpfel aussehen, weil dies die einzige Art und Weise ist, wie wir uns die Wirklichkeit anschaulich vorstellen können.
Daß wir bei unserer Beschreibung der Wirklichkeit immer mit einem Netz arbeiten, also notwendig ein Bezugsystem benützen müssen, war den Philosophen schon immer bekannt. Die Relevanz dieser Erkenntnis wurde dann aber dramatisch deutlich, als man in der Physik zu verstehen suchte, welche Bewandtnis es eigentlich mit den kleinsten Einheiten der chemischen Elemente hat, die man Atome nannte, weil man sie als die allerkleinsten, unteilbaren Bausteine der Materie betrachtete. Doch auch diese lassen sich weiter, in Elementarteilchen oder noch kleinere Einheiten, aufteilen. Zum großen Erstauen entdeckte man, daß wenn man einem solchen winzigen Teilchen experimentell nachspürt, sich dieses bei einem Experiment tatsächlich wie ein Partikel gebärdet, bei einem anderen Experiment aber dann auf einmal sich wie eine Welle verhält. Je nach Meßmethode offenbart sich also dasselbe "Objekt" in zwei verschiedenen Erscheinungsformen, die im Rahmen unserer üblichen Objekt-Vorstellung auf keine Weise miteinander in Einklang gebracht werden können.
Dieses Beispiel zeigt uns, daß eine Beobachtung nur unzureichend mit der Metapher eines Fischernetzes beschrieben werden kann, das im wesentlichen nur eine Auswahl ("größer als fünf Zentimeter") unter den Fischen trifft und deshalb den Charakter einer Projektion besitzt. Denn der Akt der Beobachtung führt darüber hinaus auch zu einer Qualitätsänderung (Partikel oder Welle) des Beobachteten, zu einer qualitativen Änderung der dahinterstehenden nicht-begreifbaren Wirklichkeit.
Die experimentellen Befunde der modernen Physik - und dort anfänglich gerade auf einem Gebiet, der Mechanik, wo alles als recht simpel und übersichtlich galt und sich überzeugend einfache Naturgesetze ermitteln ließen - haben uns also zur überraschenden Einsicht gezwungen: Alles, was wir durch direkte Beobachtungen oder durch Abstraktion unserer Wahrnehmungen als Wirklichkeit betrachten und in der Naturwissenschaft als (stoffliche) Realität beschreiben, darf in dieser Form nicht mit der dahinter vermuteten 'eigentlichen' Wirklichkeit identifiziert werden.
Mit dieser Sprechweise verwenden wir allerdings die idealistische Sprechweise des Metaphysikers, gegen die sich der positivistische Ichtyologe verwahrt, indem er etwa antwortet: "Du magst ja recht haben, vielleicht gibt es in irgendeinem Sinne diese kleineren Fische, aber warum soll mich das interessieren? Es ist doch vernünftig und für unsere menschliche Kommunikation wesentlich, sich auf das zu beschränken, worüber ich mich objektiv und eindeutig mit anderen verständigen kann. Im übrigen, ganz praktisch gesehen, wenn ich auf den Markt gehe, um meine Fische zu verkaufen, hat mich noch nie jemand nach einem Fisch gefragt, den ich nicht fangen kann." Diese letztere Argumentation ist uns gerade heute sehr geläufig: Die Ökonomie legt prinzipiell keinen Wert auf Dinge, die man nicht tauschen und nicht vermarkten kann.
Die Reduktion der Wirklichkeit auf das objektiv Feststellbare ist vom pragmatischen Standpunkt aus vorteilhaft. Es wird keine unentscheidbaren Streitereien geben. Aber es bedeutet noch lange nicht, daß das prinzipiell Unbegreifbare unwesentlich für unsere persönlich erfahrbare Wirklichkeit sein muß. Wissen wir doch: Der Mensch lebt nicht vom Brot alleine! Wir alle erleben täglich, daß unsere unmittelbare Erfahrung viel reicher und umfassender ist, als was wissenschaftlich begriffen und bewiesen werden kann. Entspricht nicht das meiste, was uns wirklich wichtig und wesentlich im Leben ist, "Fischen, die wir nicht fangen können"? Und warum sollen wir nicht diese "Gewißheit" in gewisser Weise auch als Ausdruck eines (offeneren) "Wissens" auffassen, obwohl wir es nicht begreifen können. Hier bietet sich also die Möglichkeit, dem Religiösen, dem Numinosen, dem intuitiv und auch künstlerisch Erfahrbaren wieder einen eigenständigen Wert zuzuordnen und ihnen, entsprechend ihrer Bedeutung und neben dem naturwissenschaftlich Beweisbaren, eine angemessene Rangordnung in unserem persönlichen Leben und im Rahmen unserer Gesellschaft zu geben.
Viele bestreiten heute diese Ansicht und betrachten die gegenwärtige Situation nur als ein Zwischenstadium einer sich weiter beschleunigenden geistigen Evolution, der keine Geheimnisse auf Dauer verschlossen bleiben werden. Gegen unser Ichtyologengleichnis würden sie einwenden, daß es für die Anwendung auf unsere Wirklichkeit zu primitiv wäre. Der Mensch sei, meinen sie, doch ein viel intelligenterer und einfallsreicherer Ichthyologe, der sehr schnell lernen würde, auch mit Netzen geringerer Maschenweite zu fischen. Damit haben sie zweifellos recht. Das Netz ist hier als Gleichnis zu einfach. Aber dies ändert nichts an der prinzipiellen Aussage: Was immer wir auch tun, wir brauchen irgendwelche Netze, um zu fischen. Wir können nicht die Wirklichkeit, über die wir in der Außenansicht sprechen, ohne ein Netz beschreiben und deshalb sind wir immer in dieser Beschränktheit drinnen. Netze, die beweisbares Wissen möglich machen, definieren gleichzeitig auch die prinzipiellen Grenzen dieses Wissens, und zwar Grenzen im Sinne einer 'border' nicht nur einer 'frontier'. Die Wissenschaft basiert auf fragmentierendem Denken.
Die sogenannte exakte oder quantifizierende Wissenschaft geht sogar noch ein Stück weiter. Sie formuliert, wie unser Ichtyologe, Aussagen wie: Ein Fisch ist größer als fünf Zentimeter. Die Aussage ist letztlich nur 'fünf", eine Zahl in einer Beziehung zwischen einem Fisch und einem Stück Holz, das als Meßlatte dient. Die "wissenschaftliche" Aussage hier sagt nichts darüber, was ein Fisch und was ein Stück Holz ist, die ich beide nicht verstehe. Die Aussage erschöpft sich im "wie" und verschweigt das "was". Durch diese Beschränkung ist Quantifizierung und durch Zahlen bemessene Exaktheit und als weitere Konsequenz, die mathematische Formulierung der exakten Naturwissenschaften möglich. Obgleich die moderne Wissenschaft eindrucksvoll zeigt, daß sehr vieles vom "was" seine Erklärung in einem "wie" findet, ist doch gut nachvollziehbar, daß die so reduzierte Wirklichkeitsbeschreibung nur noch sehr bedingt mit der größeren Wirklichkeit zu tun hat, in die sie eingebettet ist. Diese Einsicht ist wichtig für einen konstruktiven Dialog zwischen Naturwissenschaft und Religion. Sie ist andererseits auch als Hinweis wertvoll, daß auch Religion, in ihrem verständlichen Bestreben ihre Botschaften schärfer und einprägsamer zu fassen und der damit verbundenen Neigung, metaphorisch Zeigendes durch eindeutig Begreifbares zu fixieren, ihr eigentliches Ziel verfehlen muß.
4. Vom klassich-atomistischen zum modern-holistischen Weltbild
Eine Unterscheidung zwischen der wissenschaftlich erkennbaren und beschreibbaren Wirklichkeit und der durch spontane Erlebnisse und allgemeinere Erfahrungen bedingt zugänglichen eigentlichen Wirklichkeit mag einleuchtend klingen. Sie bleibt als solche unbefriedigend durch die Unbestimmtheit wie die wissenschaftliche Wirklichkeit in die eigentliche eingebettet erscheint. Die Beziehung zwischen wissenschaftlicher und eigentlicher Wirklichkeit kann jedoch nicht willkürlich sein, kein "anything goes", nicht blinde, strukturlose Pluralität, die absolute Flachheit symbolisiert. Doch sollten wir auch nicht erwarten, daß auf die Frage, was dieser Beziehungsstruktur zu Grunde liegt, im Rahmen unseres Denkens überhaupt eine schlüssige Antwort formuliert werden kann. Denn eine höhergeordnete Struktur läßt sich niemals aus den ihr nachgeordneten Teilstrukturen vollständig und eindeutig synthetisieren und verstehen: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Deshalb erfordert ein tieferes Verständnis, daß wir mit dem Ganzen beginnen. Ein Zugang zum Ganzen scheint uns zunächst nur unsere Innensicht, durch meditative Versenkung und ein intensiver Dialog mit anderen, die den gleichen Weg eingeschlagen haben, zu eröffnen. Ein anderer, andersartiger Zugang, könnte jedoch vielleicht auch ein neugieriger Blick über die Grenze des Wißbaren bieten, so wie sie uns von der modernen Physik aufgezeigt wird. Eine solche kleine Reise zur Grenze des Wißbaren möchte ich jetzt kurz unternehmen.
In unserem Ichtyologengleichnis ist es das "Netz", das Wissen erst ermöglicht und gleichzeitig die prinzipielle Beschränkung erzwingt. In der Parabel ist das Netz noch ein Fremdling, dessen Herkunft unbestimmt und willkürlich bleibt. Das ist es selbstverständlich nicht. Es wurde vom Fischer in seinem Überlebenswillen als erfolgreichste unter vielen anderen Fischfang-Methoden letztlich ausgewählt. Das Netz ist also auch ein Teil des großen Ganzen und seiner speziellen Struktur, zu der die Fischwelt und der Fischer gemeinsam gehören. Es ist deshalb aufschlußreich, kurz einmal einen Blick auf die im Vergleich zur klassischen Physik radikal veränderte Beziehung zu werfen, in der in der modernen Physik die Teile zu ihrem Ganzen stehen sollen.
Die Welt in der Beschreibung der alten, "klassischen" Physik existiert in Raum und Zeit. Raum und Zeit spielen jedoch eine ganz unterschiedliche Rolle. Die Welt zeigt eine eigentümliche Zeitschichtung. Im augenblicklichen "Jetzt", das wir Gegenwart nennen, offenbart sich uns, ein mit unseren Sinnen spontan austastbarer dreidimensionaler Raum - und nur dieser gegenwärtige Raum ist uns direkt zugänglich, unmittelbar erlebbar. Dieses augenblickliche Erfahrungsfeld jedoch wird sofort wieder zugedeckt durch ein ähnliches Erfahrungsfeld in der nächsten Gegenwart. Die Raum-Zeit-Welt, die Wirklichkeit zeigt sich uns also eigentümlicherweise nicht als Ganzes, sondern immer nur scheibchenweise, Schritt um Schritt in einer Folge, die wir Zeit nennen. Wir verstehen eigentlich nicht, warum der "liebe Gott" uns nicht, ähnlich wie in räumlicher Ausdehnung, auch einen Einblick in die zeitliche Dimension seiner Schöpfung erlaubt, die uns selbstverständlich brennend interessiert, weil dort alles verborgen ist, was uns in Zukunft - an Freud' und Leid - erwartet.
Wir Menschen haben jedoch erkannt, daß die aufeinanderfolgenden Erfahrungsfelder nicht unkorreliert sind, sondern durch Gesetzmäßigkeiten verbunden sind, die sich in Form quantitativer, allgemein gültiger Naturgesetze fassen lassen. Der Erfolg der Naturwissenschaften war und ist ja triumphal: Die Naturgesetze glaubt man weitgehend entschlüsselt zu haben. Und das bedeutet nicht nur Erkenntnisgewinn, nämlich zu wissen, was uns in Zukunft erwartet, sondern eröffnet uns auch die Möglichkeiten für uns, unser Leben vorteilhafter für uns gestalten zu können, indem wir entsprechend diesen Einsichten versuchen, Gefahren zu vermeiden und unser Umfeld geeignet zu manipulieren. Dies gelingt selbstverständlich nur, wenn wir uns als Menschen, nicht völlig als Teil dieses als streng determinierten erachteten Mechanismus "Natur" verstehen, sondern uns, gewissermaßen als Ebenbild Gottes, als wesentlich außerhalb der Schöpfung und damit über die Natur erhaben betrachten.
Die Natur ist stofflich, materiell. Wir können sie zerlegen, ohne daß sie ihre materielle Eigenschaften verliert. Wir sprechen von kleinsten Teilchen, die sich nicht weiter zerbrechen lassen, Atome, die gewissermaßen unendlich hart sind. Sie sollen die Eigenschaft haben, daß sie im Laufe der Zeit immer mit sich selbst identisch bleiben. Durch die zeitliche Kontinuität der Materie wird so eine Kontinuität der Welt gewährleistet. Die beobachtbaren Veränderungen in der Welt geschehen durch Umordnen dieser kleinsten Teilchen. Wir haben also die Sichtweise: der Stoff, die Materie ist primär, sie bleibt gleich; die Form, die Gestalt ist dagegen sekundär, sie entsteht durch die Beziehungsstruktur von Stoff, durch die Wechselwirkung der Materie, und ändert sich ständig im Ablauf der Zeit.
Die moderne Physik kommt nun zu der überraschenden Erkenntnis: Materie ist nicht aus Materie aufgebaut! Wenn wir die Materie immer weiter auseinandernehmen, in der Hoffnung die kleinste, gestaltlose, reine Materie zu finden, bleibt am Ende nichts mehr übrig, was uns an Materie erinnert. Am Schluß ist kein Stoff mehr, nur noch Form, Gestalt, Symmetrie, Beziehung.
Was bedeutet das? Wir haben eine Umkehrung: Das Primäre ist Beziehung, der Stoff das Sekundäre. Materie ist ein Phänomen, das erst bei einer gewissen vergröberten Betrachtung erscheint. Stoff ist geronnene Form. Vielleicht könnten wir auch sagen: Am Grunde bleibt nur etwas, was mehr dem Geistigen ähnelt - ganzheitlich, offen, lebendig: Potentialität. Materie ist die Schlacke dieses Geistigen - zerlegbar, abgeschlossen, determiniert: Realität. In der Potentialiät gibt es keine ein-eindeutigen Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Die Zukunft ist im wesentlichen offen. Es lassen sich für das, was "verschlackt", was real passiert, nur noch Wahrscheinlichkeiten angeben. Es gibt keine Teilchen, die unzerstörbar sind, die mit sich selbst identisch bleiben, sondern wir haben ein "feuriges Brodeln", ein ständiges Entstehen und Vergehen. In jedem Augenblick wird die Welt neu geschaffen, aber im Angesicht, im "Erwartungsfeld", der abtretenden Welt. Die alte Potentialiät in ihrer Ganzheit gebiert die neue und prägt neue Realisierungen, ohne sie jedoch eindeutig festzulegen. In diesem andauernden Schöpfungsprozeß wird ständig ganz Neues, Noch-nie-dagewesenes geschaffen. Alles ist daran beteiligt. Das Zusammenspiel folgt bestimmten Regeln - physikalisch wird es beschrieben durch eine Überlagerung komplexwertiger Wellen, die sich verstärken und schwächen können. Es ist ein Plus-Summen-Spiel, wo Kooperation zur Verstärkung führt und was interessanterweise auch eine teleologische Ausrichtung (Hamiltonsches Prinzip der kleinsten Wirkung) imitieren kann. Der zeitliche Prozeß ist nicht einfach Entwicklung und Entfaltung, ein "Auswickeln" von schon Bestehendem, von immerwährender Materie, die sich nur eine neue Form gibt. Es ist echte Kreation: Verwandlung von Potentialität in Realität.
Das mag eine schlechte Nachricht für diejenigen bedeuten, die Natur manipulieren und letztlich fest "in den Griff" bekommen wollen. Denn wir können gar nicht genau wissen, was unter vorgegebenen Umständen in Zukunft passieren wird. Und dies - wohlgemerkt - nicht aus noch mangelnder Kenntnis, sondern als Folge der Sowohl-als-auch-Struktur der Potentialität, die mehr die lose Verknüpfungsstruktur freier Gedanken hat.
Das ist aber eine gute Nachricht für alle diejenigen, die den Menschen als einen Teil derselben einen großen Wirklichkeit betrachten und erleben, ohne bei dieser Einbindung in das Eine den Menschen und die übrige lebende Kreatur dabei zu leblosen Maschinenteilen reduzieren zu müssen. Die Mitwelt kann von keinem mehr absolut verläßlich manipuliert werden, aber jeder, jede und jedes kann in gewissem Grade an einer Gestaltung der Zukunft kreativ mitwirken.
Diese neuen Erkenntnissen vermitteln uns eine total verwandelte Weltsicht.
Die alte (klassisch physikalische) Weltsicht fing noch mit einer Vielzahl von getrennten Objekten an: Atome oder irgendwelche unabhängigen und unverbundenen "Teilchen", die aufgrund von Wechselwirkungen Stufe um Stufe Gesamtsysteme aufbauen, so daß sie, ihrem Namen gemäß, als Teile und Unterteile dieser Systeme betrachtet werden können. Die ganze Evolution der Welt vom "Urknall" vor etwa zwanzig Milliarden Jahren, als sich solche "Teilchen" bildeten, kann grob gesprochen als ein Prozeß der fortschreitenden Ordnung der Vielheiten zu immer komplizierteren Systemen und Systemverbänden bis hin zu den hochdifferenzierten Organisationsstrukturen des Lebendigen und des Menschen verstanden werden. Es bleibt offen, wie aus den vielfältigen Zusammenballungen von ursprünglich isolierter Materie je solche komplexen Gebilde mit den Ausdrucksformen, die wir Leben und Bewußtseins nennen, sollten entstehen können, genau so wenig wie ein noch so großer und raffinierter Computer je einem Lebewesen gleichen kann. In dieser Sichtweise scheint die Forderung nach einem Zielpunkt, einem Zug von der Zukunft her, zum Verständnis des Schöpfungsprozesses unentbehrlich.
Im Gegensatz dazu, ist die neue Weltsicht im Grunde holistisch, nicht atomistisch: Es existiert eigentlich nur das Eine, das Ungetrennte, das Untrennbare. Doch ist diese Ausdrucksweise irreführend, weil sich die Begriffe "Existenz", "Sein" und das "Seiende" noch zu eng an unserer Erfahrung der Realität, der stofflichen Wirklichkeit, in ihrem ontischen Charakter orientieren und mit der Vorsilbe 'un-' mehr ein Mangel suggeriert wird als etwas Positives, wie etwa in Verbundenheit und Liebe. Das 'untrennbare Eine' meint das Unbegreifliche, Numinose, auch das Prozeßhafte und Potentialität, als nicht nur die Möglichkeit, sondern auch das Vermögen zur Schaffung von Realität, von greifbar Seiendem. Die zeitliche Evolution besteht in einem fortschreitenden Prozeß der Differenzierung dieses Untrennbaren durch "Errichtung von Hindernissen, halbdurchlässigen Grenzen, ähnlich wie bei der Zellteilung einer Zelle in mehrere durch Neubildung von Zellwänden. Dies imitiert die Entstehung von unabhängigen Subsystemen, die als Teile des Gesamtsystems fungieren und aus denen dieses Gesamtsystem als "zusammengesetzt" erscheint. Dies ist aber nie der Fall, weil der Zusammenhang viel tiefer geht, so wie etwa die sichtbar getrennten weißen Schaumkronen auf stürmischer See nicht die Betrachtung rechtfertigen, das Meer sei aus Wellen und Schaumkronen zusammengesetzt. Das Sinnstiftende im Zusammenwirken der als-ob-Teile entsteht immer aus dem Ganzen, das sie einschließt. Dieses Ganze, Eine, ist immer da, ob das Meer "leer", glatt und ruhig sich ausbreitet oder "voll", hoch differenziert sich im Sturme wellt. Das Zusammenspiel der Wellen führt zu einer Orientierung, die so aussieht, als gäbe es ein vorgegebenes Ziel.
Auch wir Menschen sollten uns nicht vorstellen, daß wir wirklich getrennte Teile dieser Wirklichkeit sind, lose nur aufeinander wirkend durch schwache Kräfte und einander erkennend durch einige Licht-, Laut- und andere von der Physik identifizierbare Signale, die wir uns zur Verständigung wechselseitig zuwerfen. Wir sind alle Teile dieses selben Einen, der selben Potentialität, auf der wir gemeinsam gründen. Wir spüren dies auch. Wie könnten sonst ein paar hingeworfene Worte und Sätze mit ihrem dürftigen, abzählbarem Informationsgehalt sich in unserem jeweiligen Bewußtsein so reich entfalten. In einer Welt, die sich hauptsächlich auf tatkräftiges Handeln orientiert, ist es in der Tat eine brauchbare Approximation, uns Menschen schlicht als getrennte Individuuen zu definieren, die über äußere Kräfte - getragen von energetischen Kraftfeldern - miteinander wechselwirken. Daß diese Näherung unzureichend und höchst mangelhaft ist, erkennen wir heute immer deutlicher an den zerstörerischen Folgen unseres daraus resultierenden unvernünftigen Umgangs miteinander und unserer Mitwelt, bei dem vernachlässigt wird, daß diese Mitwelt ja nichts Äußerliches ist, sondern unsere eigene natürliche Lebensgrundlage darstellt.
Wir haben also ein grandioses Weltbild, das seinen Reichtum einer inhärenten Offenheit und 'Lebendigkeit' verdankt, also dem Umstand, daß es eigentlich im alten Sinne gar kein festes Weltbild mehr ist. Es meint eine Grundbeziehung: Alles wurzelt in einer unauftrennbaren, irreduziblen Potentialität, die Züge eines holistischen Geistes trägt. Sie ist keine Realität, sondern verhält sich zu ihr wie etwa die Ahnung, die Hoffnung, der Wille zur daraus möglicherweise entstehenden konkreten Handlung. Das Untrennbare spiegelt sich in einer fundamentalen Gemeinsamkeit. Die Evolution im Realen, der Gerinnungsprozeß, geht in Richtung auf teilweise Auftrennung, Differenzierung und Emanzipation. Auch das Erscheinen des Bewußtseins in jedem von uns ist eine teilweise Abspaltung: ich löse mich in einer gewissen und beschränkten Weise aus dieser unauftrennbaren Wirklichkeit heraus und erfahre mich und das andere, die Welt, auf einmal als zwei verschiedene Dinge, wo das eine - das Ich, das mystische Ich - nun auch sich als Ego und der Welt gegenübersteht und sie noch einmal von außen wie im Spiegel betrachtet. Die Außenansicht kommt zur Innensicht hinzu, ein Nebeneinander, wodurch Dualität vorgetäuscht wird.
5. Über die Beziehung von Wissen und Glauben
Was können wir wirklich wissen? Was ist prinzipiell nicht wißbar und muß deshalb unserem Glauben überlassen bleiben? Wie offen und willkürlich ist ein solcher Glaube? Diese Fragen haben nicht nur akademische Bedeutung. Angesichts der zunehmenden materialistischen Ausrichtung und spirituellen Verarmung unserer modernen Gesellschaft bekommen sie existentielle Bedeutung. Denn um absichtsvoll handeln zu können, benötigen wir als Menschen eine über das wissenschaftlich Meßbare und analytisch Beweisbare hinausgehende Bewertung. Konkret spiegelt sich dies in den heute vielfach diskutierten Fragen wider nach der 'Bedeutung ethischer Werte' in der Realisierung des Machbaren und, im historischen Kontext, der 'Zukunft von Religion und Glauben in einer wissenschaftlich orientierten und dominierten Gesellschaft, einer Gesellschaft, die Wahrheit aus objektivierbaren Fakten und Prozessen bezieht. Sie sollte, in meinem Verständnis, nicht als Wissensgesellschaft bezeichnet werden, denn Wissen wird erst zum Wissen durch Verständnis, das nicht äußerlich, nicht objektivierbar ist.
Als Physiker betrachte ich mich als aktiver Vertreter dieser wissenschaftlichen Welt. Als Mensch fühle ich mich dem Umfassenderen verbunden. Dies wird mir die Gelegenheit geben, noch einige Worte der Vorsicht gegenüber meiner vorgetragenen Darstellung einzuflechten, bei der ich mich in der notwendigen Straffung allzu großzügig über wesentliche kritische Feinheiten hinweggesetzt habe.
Die Hauptkritik richtet sich vor allem auf die Frage, inwieweit die tiefen Einsichten eines Atomphysikers, die er in seiner Mikrowelt gewonnen hat, sich überhaupt eignen, auf uns als Menschen und unsere Lebenswelt anwendbar zu sein. In der Tat: Diese Strukturen der Mikrowelt spielen, wie es scheint, in der viel größeren Mesowelt, in der wir leben, gar keine Rolle. Denn wir wissen doch aus unserem Alltag, daß die Approximation einer objektivierbaren Materie, ihre Auftrennbarkeit, Unterschiedlichkeit, Unabhängigkeit ausgezeichnet funktioniert. Auf ihr basiert doch unsere langjährig erprobte und höchst erfolgreiche Technik.
Grob betrachtet ist dies zweifellos richtig. Die Mikro-Gesetzlichkeit hat es schwer, erkennbar bis in die Mesowelt vorzudringen. Das liegt an der großen Zahl - es sind Billionen mal Billionen - dieser exotischen Mikro-Wesenheiten, die in Objekten unserer Mesowelt enthalten sind. Das lebendige, offene Spiel der Unterstrukturen mittelt sich deshalb einfach in der Regel vollständig heraus.
Unsere Mesowelt ist also eine statistisch ausgemittelte Mikrowelt. Daß diese Ausmittelung so vollständig gelingt, liegt wesentlich am sogenannten 'Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik'. Im Grunde drückt er nur das für uns Offensichtliche aus, daß in Zukunft das Wahrscheinliche wahrscheinlicher passiert. Dies hat jedoch die wesentliche Folge; daß in einem sich selbst überlassenen System in der Regel jede Besonderheit, jedes Ausgezeichnetsein im Laufe der Zeit zerstört wird und sich in Unordnung auflöst. Das können wir täglich an unserem Schreibtisch beobachten. Aus einem uns unverständlichen Grunde wird er immer unordentlicher und nie ordentlicher. Deshalb verstehen wir nicht, wie es in einer Natur mit ihrem starken Hang zu Unordnung überhaupt kommen kann, daß bei der Evolution so hochdifferenzierter Systeme, wie uns Menschen oder die vielfältigen Organismen des Biosystems, die Unordnung sich nicht durchsetzt. Hat die Natur für ihren lebendigen Teil nicht doch eine Ausnahmeregelung beim 'Zweiten Hauptsatz' bei einer höheren Instanz erwirkt?
Nach heutiger Einsicht scheint es keine solche Ausnahmeregelung zu geben. Die unbelebte und die belebte Natur basieren auf derselben Art von Prä-Materie, die im Grunde, wie uns die moderne Physik lehrt, eigentlich keine Materie ist und einer viel offeneren und gewissermaßen "lebendigen" Dynamik folgt. Aber diese lebendige Prä-Materie kann sich auf verschiedene Art organisieren.
Einmal geschieht die Organisation ganz ungeordnet und unkorreliert. Dann wird das resultierende Gesamtsystem stumpf, langweilig und apathisch. Es trägt die Züge der unbelebten Materie. Wir schätzen diese geronnene Form, diese Schlacke, wegen ihrer Verläßlichkeit. Wir schätzen die Materie wegen ihrer steten Bereitschaft sich von uns widerspruchslos manipulieren zu lassen. Sie dient uns als Werkzeug und Baustoff. Und das schätzen wir: Etwas Verläßliches, das uns bedingungslos gehorcht, das keinen eigenen Willen entwickelt.
Aber wenn sich diese Prä-Materie auf raffiniertere Weise zu einem geordneten, differenzierten Gesamtsystem formiert, dann können Strukturen entstehen, in denen das im Grunde embryonal Lebendige auch in der Mesowelt zum Ausdruck kommt und zum lebendigen Organismus wird. Die eingeprägte Potentialität wird makroskopisch sichtbar. Dazu braucht es aber eine enorme Verstärkung. Das Gesamtsystem muß weit weg von seinem Gleichgewichtszustand sein, um ein Ausmitteln seiner inneren Lebendigkeit zu vermeiden. Auf diese Weise kann sich die inhärente Lebendigkeit auch äußerlich emanzipieren.
Stellen Sie sich ein physikalisches Pendel vor: ein herabhängender, beweglicher Stab mit einem Gewicht unten. Es pendelt beim Anstoßen vorhersehbar und berechenbar um seine untere stabile Gleichgewichtslage. Drehe ich jedoch Stab und Gewicht weit weg vom unteren stabilen Gleichgewicht in die oberste Lage, so gibt es dort eine weitere Gleichgewichtslage, die aber instabil ist. Wir wissen nicht, ob das Pendel auf die eine oder andere Seite herunterfallen wird. In diesem Instabilitätspunkt kann das System die inhärente Lebendigkeit sichtbar werden lassen, weil es von winzig kleinen Störungen abhängt, ob es zu dem einen oder anderen Bewegungsablauf veranlaßt wird. Das ist nur ein primitives Beispiel. Die Naturwissenschaft kennt viele Systeme mit solchen eingeprägten Instabilitäten. Sie führen zu einem, wie man sagt, "chaotischen" Bewegungsverhalten. Kleine Veränderungen in den Ursachen bewirken hier extreme Unterschieden in den Folgen: Der Schlag eines Schmetterlingsflügel, kann einen Taifun auslösen!
Leben - belebte makroskopische Organismen - erfordern Strukturen in der Nähe von inhärenten Instabilitäten. Aber Instabilitäten kippen. Um sie lange in der prekären Balance zu halten, müssen sie dauernd nachjustiert, also dynamisch stabilisiert werden. Dies erfordert eine "intelligente" Zuführung von Energie. Diese Systeme brauchen ständig eine "ordnende, austarierende Hand". Diese Situation steht also nicht im Widerspruch zum 'Zweiten Hauptsatz', der dominanten Tendenz zur Unordnung. Denn es ist ja auch unsere ordnende Hand, die am Wochenende unseren Schreibtisch immer wieder in Ordnung bringen kann. Dazu ist (arbeitsfähige) Energie nötig - sie wird von der Hand gereicht. Aber die Hand darf dabei nicht nur "werkeln", sie muß auch darauf achten, was sie tut, sie muß intelligent sein, denn sonst beschleunigt sie nur den Prozeß zur Unordnung.
Lebendige Systeme brauchen deshalb Nahrung, gespeicherte Sonnenenergie, doch auch auswählende Intelligenz, eine "geistige" Führung, die prinzipiell im immateriellen Form-Grund verankert ist und sich in der Milliarden Jahre langen Evolution des Biosystems durch ein Plus-Summen-Spiel in komplexen Verästelungen immer höher differenziert hat. Die von der Sonne zugestrahlte hochgeordnete Energie ist letztlich der Motor für die Entwicklung des Lebens auf der Erde. Sie wird aber nur zu einer ordnenden Hand, wenn ihre Energie sich von der kreativen Potentialität im Hintergrund leiten läßt, die vermöge von Instabilitäten in die Mesowelt durchstoßen können. Unsere heutige ökologsiche Krise hängt wesentlich damit zusammen, daß wir diesen tieferen Zusammenhang nicht würdigen. Wir lassen uns immer noch von der veralteten Vorstellung leiten, wir als geist-begabte Menschen stünden außerhalb einer rein materiellen Natur, die für uns nur Werkzeug, Steinbruch und Müllkippe ist. Wir verkennen, daß wir ein "Teil" eines gemeinsamen, größeren komplexen Systems sind und auf hochsensible Weise in dieses eingebunden sind. Dieses größere komplexe System basiert auf einer unauftrennbaren Potentialität, die für uns "unbegreiflich" bleibt. Potentialität bietet aber die Möglichkeit in "Teilen" zu Realität zu gerinnen und zu dem zu führen, was wir in unserer Außenansicht und mit unseren Sinnen als äußere Schöpfung wahrnehmen.
Hat nicht diese holistische Potentialität, diese unauftrennbare Ur-Lebendigkeit, zu der ich nur durch Innensicht unmittelbaren Zugang habe, eine tiefe Verwandtschaft zu dem Göttlichen, von dem die Religionen sprechen? Der Schöpfer ist mit dem Urgrund der Schöpfung identisch. Aber, was wir gewöhnlich als Schöpfung durch Außenansicht erfahren, ist nur die materielle Schlacke dieser geistigen Urdynamik.